
Aus dem Buch „Zeitkonserven – Frankfurter Traditionsgeschäfte“.
Dass Bären gute Fischer sind, ist allseits bekannt. Man denke nur an die Grizzlybären in Nordamerika, die in reißenden Flüssen die fettesten Lachse fangen.
Aber auch in Frankfurt gibt es einen Bären, der sich aufs Angeln spezialisiert hat- und das schon seit dem Ersten Weltkrieg. „Wann genau der Laden eröffnet wurde, ist unbekannt. Die Unterlagen sind während des Zweiten Weltkriegs verbrannt. Meine Familie führt die Geschäfte jedoch seit knapp 30 Jahren“, sagt Jörg Kraft.
Er selbst hat den Laden vor 16 Jahren von seinen Eltern übernommen. „Mein Vater ist ein begeisterter Angler, aber dass er einmal für seine Familie die Brötchen mit seinem Hobby verdienen würde, das hat er sich auch nicht erträumt“, erzählt der 40-Jährige. Doch dann habe sich dem gelernten Restaurator 1980 die Gelegenheit geboten, das Angelfachgeschäft in der Braubachstraße zu übernehmen. Und die Chance habe der Vater ergriffen. „In einer Kneipe haben sich mein Vater und der Vorbesitzer per Handschlag geeinigt. Das ging damals noch“, sagtJörg Kraft. Denn damals habe noch das Wort gezählt.
Ihm sei die Entscheidung, in das Geschäft einzusteigen, nicht leicht gefallen, sagt Jörg Kraft. Der gelernte Fernmeldeelektroniker habe sich vor 15 Jahren beruflich verändern wollen. Aber erst das dritte Gespräch mit den Eltern brachte ihn zu einer Entscheidung. „Ich wusste, der Laden ist eine todsichere Sache, ist eingeführt, hat einen festen Kundenstamm. Eigentlich kann nichts passieren. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass der Preis, den man für die Selbstständigkeit zahlt, hoch ist.“ Die Freizeit wird weniger, man ist stets der Erste und der Letzte im Geschäft. Zumal, wenn man ohne Angestellte arbeitet. „Darüber hinaus können meine Familie und ich im Sommer auch nicht gemeinsam verreisen, denn das ist die Hochsaison für Angler.“ Der Familienurlaub findet entsprechend erst im Herbst oder Winter statt. Doch der Reiz der Selbstständigkeit habe letzten Endes überwogen. „Ich genieße es immer wieder, mein eigener Chef zu sein“, sagt–Jörg Kraft.
Nachdem er das Geschäft übernommen hatte, hat er sich immer stärker auf das Fliegenfischen konzentriert. Anders als beim regulären Angeln sitze man dabei nicht am Ufer und warte, bis der Fisch daran hinge, sondern man stehe im fließenden Gewässer oder laufe darin herum und werfe immer wieder die Angel aus, um so die Fische zum Beißen zu bewegen.
Weil man nicht mit Lebendködern – also Maden oder Würmern – hantiere, sei der Angelsport ebenfalls für Frauen interessant, denn die vermeintlichen Fliegen seien künstlich. Auch der Anfang der 1990er-Jahre herausgekommene Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ mit Robert Redford und ßrad Pitt habe dazu beigetragen, dass die Frauen auf den Geschmack gekommen seien, so Jörg Kraft. Ob auf den der Fischer oder den des Fischens, sei einmal dahingestellt. Kraft lässt diese Frage ebenfalls unbeantwortet.
Der größte Unterschied zwischen normalem Angeln und Fliegenfischen sei das Zubehör. „Ein Angler braucht für sein Hobby im Regelfall zwei bis drei Angeln, einen Käscher, einen Gerätekastcn, so groß wie ein Werkzeugkoffer, mit verschiedenen Haken, Bleien, Schwimmern und anderen Ködern, und nicht zu vergessen, einen Stuhl“, zählt Jörg Kraft auf.
Das sei beim Fliegenfischer anders. Denn da der Fliegenfischer im Wasser stehe und sich in diesem auch fortbewege, reduziere sich die Ausrüstung ganz von allein. „Man braucht nur eine Angel, eine Rolle, Schnur und ein paar Fliegen. Der Rest ist Schnickschnack, der das Leben erleichtert.“ Wie eine Wathose, die verhindere, dass man nasse Beine bekomme. Oder eine Weste, in der man Zange und Schnur verstaut sowie ein Döschen für die „Fliegen“. Die kann man übrigens fertig kaufen, oder aber man stellt sie selbst her. Die künstlichen Köder sehen aus wie Schirmchen von Pusteblumen und sind erstaunlich leicht und fein. Eben so, dass sie schwerelos auf dem Wassertanzen können. Wie echte Fliegen.

Für alle, die sich ihre Köder selbst basteln möchten, hält Jörg Kraft im hinteren Bereich seines Ladens an einer ganzen Wand eine beispiellose Auswahl verschiedenster Federn und federartiger Materialien bereit. Zart und flauschig hängen sie in Klarsichttütchen. Federn von Pfauen, Marabus, Fasanen, Enten oder Gänsen. Wunderschön bunt anzusehen. „Wir haben nicht nur Fliegenfischer, die sich hier mit Federn eindecken, sondern auch einen exklusiven Huthersteller und verschiedene Schmuckdesigner“, erzählt Kraft. Die Auswahl suche eben ihresgleichen. Zwischen den Federn hängen auch Kaninchenpfoten und die Köpfe von Goldfasanen. Die werden nicht etwa am Stück zum Köder verarbeitet, sondern auch hier interessieren die Fliegenfischer nur die leichtesten, feinsten Segmente des Flaums. Weil es zu aufwendig wäre, diese im Vorfeld von Pfoten oder Köpfen zu lösen, gibt’s eben das ganze Stück. Ein klitzekleines bisschen Ekelfaktor bleibt also beim Fliegenfischen erhalten. Und so wirkt die sonst so dekorative Federnwand auch ein wenig makaber.
Da sehen die vielen unterschiedlichen Bleie und Blinker, die die Angler brauchen und die im vorderen Bereich des Ladens viel Platz einnehmen, schon lustiger aus.
Weil die Gemeinde der Fliegenfischer aus der Region immer noch recht überschaubar sei, kenne man sich. Und die meisten träfen sich sowieso in seinem Laden, dem Spezialanbieter auf diesem Gebiet, erzählt Jörg Kraft.
Überhaupt, sein Geschäft- einerseits schätze er die überschaubare Fläche und die familiäre Atmosphäre. Denn eben weil der Laden nur sehr klein ist, sind es lediglich er und stundenweise seine Frau, die hier hinter dem Verkaufstresen stehen. Familie also. Andererseits stelle ihn dieser Mangel an Platz immer wieder vor Schwierigkeilen: „Ich habe wirklich Probleme, das ganze Sortiment unterzubekommen.“ Schließlich hat Kraft allein 1000 Angeln im Angebot. Doch der Laden ist nun einmal, wie er ist. Natürlich spiele er immer mal wieder mit der Idee, umzuziehen und sich räumlich zu vergrößern, „aber dann verwerfe ich das schnell wieder, weil wir hier einfach hingehören“, so der 4O-iährige. Das kleine Fachgeschäft für den leisen Sport mitten in der lauten Stadt. „Außerdem, wie heißt es doch so schön? Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, sagt Jörg Kraft.
Von Julia Söhngen.
Angel Bär, Braubachstr. 7, 60311 Frankfurt/Main.
Das Buch „Zeitkonserven“ ist zu beziehen über den CoCon-Verlag.