Die alljährliche Frankfurter Konsumgütermesse Ambiente ist die Hochburg der „fast moving consumer goods“. Jenen Produkten also, die – ob im Luxus- oder Discountgenre – als Lifestyle-Wohn-Accessoires, Dekoelemente, Geschenkartikel oder Gedeckter Tisch klassifiziert werden. Sieht man einmal von den notwendigen Alltagsprodukten wie Wasserglas, Geschirr/Besteck oder Haushaltskerze ab, ist das Gros der feilgebotenen Artikel, asketisch betrachtet, komplett überflüssig.
Wer braucht schon künstliche Steine mit Aufschriften wie „Liebe“, „Harmonie“ oder „OM“ (nein, Chantal, das sind keine mystischen Glücksspender!) oder sonstige Pseudo-Trends als Dekorationselemente in der heimischen Stube? Ist das der Versuch, die eigene Philosophie und Geisteshaltung, die unausgesprochenen Wünsche ans Leben gar, an schnelllebige Kitschpretiosen outzusourcen, mit denen man sich dann demonstrativ umgibt? Früher galt das anspruchsvoll gefüllte Regal mit (gelesenen!) Büchern als stolzes Abbild des eigenen Wesens – heute ist es das, so sinntriefend wie rückstandsfrei austauschbare, Weisheiten-Tattoo an der prosafreien Wohnzimmerwand.
Schwer hat es die „FMCG“-Branche, immer neue Trends zu ersinnen und wirtschaftliches Wachstum beizubehalten. Seit T€DI & Co. ebenso wie die Depots, Butlers und die überlebten Warenhäuser wöchentlich unverblümt thematisch gepackte Standard-Paletten mit Zeugs aus Asien in ihre Läden schieben, bleibt die Inspiration und die Individualität der geschmackvollen Gestaltung auf der Strecke. Geclusterte Wohnwelten mit passenden Accessoires sind die Regel und gelangweilte, satte Hausfrauen sind dankbar für die Vorgaben, die sie nur noch abzukonsumieren brauchen.
Country Cottage („H O M E“-Holzbuchstaben im Regal) vs. Spiritual Culture (Buddhas!). Sie, die Dekorateurinnen, denken wohl: „In meiner Schublade fühle ich mich sicher und geborgen und die Nachbarin ist sooo neidisch auf meine Stilsicherheit.“
Es überrascht also nicht, dass die Messeleitung in Frankfurt Flucht nach vorn betreibt und in ihrem korrespondierenden Magazin zur Ambiente vor allem die Themenfelder Individualität und Exklusivität penetriert. Neben der darin revolutionär-bahnbrechenden Erkenntnis einer ausgewiesenen Handelsanalystin: „Die Kaufentscheidung fällt am POS“ wird ab Seite 100 auch Slowretail vor den Karren der nötigen Re-Individualisierung des Massenkonsums gespannt (Artikel als pdf). Vielleicht hilft’s dem ein oder anderen Händler, wieder Mut im eigenen Verkaufssortiment zu beweisen und sich seine Kunden und deren Bedürfnisse einmal genau anzusehen. Seitens der Industrie ist hier keine Besserung in Sicht.
[Frohe Ostern mit diesem fiesen Beitrag, der noch immer so aktuell ist, wie zu seiner ersten Veröffentlichung vor 6 Jahren am 15.03.2010]
[Foto: Messe Frankfurt]